„Berlin Tag & Nacht“-Star Falko Ochsenknecht stirbt mit nur 39 Jahren

Szene aus “Berlin – Tag & Nacht”Foto: RTL II

Als vor zwei Wochen in Berlin die Herbstferien zu Ende gingen, schrieb die 18-jährige Hanna eine Nachricht auf Facebook. Sie lautete: “Meine Ferien sind schon fast vorbei. 🙁 Gehts euch genauso? Hanna.” Das blieb nicht ohne Folgen. Mehr als 13.000 Personen klickten auf “Gefällt mir”. Die Leute antworteten “ja, die schule nervt” und “wir bekommen in 2 wochen”. Es wurden über 1400 Kommentare.

So geht das jeden Tag. Hanna ist bloß eine Figur aus der RTL-II-SerÜberraschungen und eine Schlägerei - Berlin - Tag & Nacht - RTLZWEIie “Berlin – Tag & Nacht” (“BTN”), und die Sätze hat nur jemand aus der Redaktion auf der Facebook-Seite der Sendung veröffentlicht. Aber diese Seite hat mittlerweile rund 2,3 Millionen Fans. Und die sie lesen, mögen und kommentieren alles.

Banalität ist dabei kein Hindernis. Banalität ist Ausdruck von Nähe und Kommunikation auf Augenhöhe.

“Berlin – Tag & Nacht” ist die Fernsehsensation des Jahres. Und das eben nicht nur im Fernsehen. Mit riesigem Abstand führt es die Rangliste aller TV-Formate bei Facebook an, “BTN” ist ein crossmediales Phänomen. Die Produktionsfirma Filmpool, maßgeblich verantwortlich für den Fluch der Laiendarstellerei im deutschen Fernsehen, hat das mit recht schlichten Mitteln erreicht: Sie kombinierte einfach zwei Genres industrieller TV-Produktion und erzählt eine tägliche Seifenoper mit den Mitteln der gescripteten Pseudo-Dokumentationen.

“Berlin – Tag & Nacht” handelt vom Leben einer Gruppe relativ flächendeckend tätowierter und gepiercter junger Menschen in der Hauptstadt. Im Mittelpunkt steht eine Wohngemeinschaft, erzählt werden Alltagsdramen um Liebe und Freundschaft, Party und Beruf, gute und schlechte Laune. Es geht um unerfüllbare Kinderwünsche, plötzlich entdeckte Homosexualität, unaufgeräumte Küchentische und die Frage, wer ein Kegelturnier gewinnt oder beim Verlieren die besten blöden Sprüche macht. Die Mitglieder einer zweiten, jüngeren WG müssen kaum mehr tun, als mit einem Auto anfahren und einparken zu üben, um die Zielgruppe der Teenager eine Folge lang zu unterhalten.

Nichts ist filigran, ausgefeilt oder komplex

Die Akteure sind Laiendarsteller, die die Dialoge auf der Grundlage von Handlungsbeschreibungen mehr oder weniger frei improvisieren. Nichts hier ist filigran, ausgefeilt oder komplex. Aber im Gegensatz zu den immer bizarrer werdenden, denunziatorischen Geschichten aus dem Hartz-IV-Elend in Nachmittagssendungen zelebriert “Berlin – Tag & Nacht” bloß harmlose Prolligkeit.

An diesem Mittwochmorgen sind die Dreharbeiten auf dem Hausboot im Berliner Osthafen ins Stocken geraten. Eine Darstellerin, die eine Episodenrolle spielen sollte, ist krank geworden.

Das kann den Betrieb nicht lange aufhalten. 150.000 Laiendarsteller hat Filmpool inzwischen in seiner Datenbank Castbase. Es dauert nur ein paar Stunden, bis darin Ersatz gefunden ist und eine andere junge Frau die Stewardess spielen kann, die mit einem Handtuch bekleidet aus der Dusche kommt und ihre Kollegin und deren Freundin beim Küssen ertappt. (“SBSA” steht an solchen Stellen im Drehbuch: Sex bahnt sich an.) Es gibt grundsätzlich keine Studioaufnahmen. Das Tattoo-Studio ist tatsächlich ein Tattoo-Studio, der Schönheitssalon ein Schönheitssalon und das Hausboot ein Hausboot. Der Kameramann kann dort unter Deck mit der Kamera auf den Schultern kaum aufrecht stehen, und der Tonmann jongliert mühsam zwei Mikrofonangeln, während er die Truppe durch die engen Gänge verfolgt.

Produziert wird “Berlin – Tag & Nacht” wie eine billige Dokumentation: mit nur einer Kamera, die zwischen den Akteuren hin- und herschwenkt, ohne großes Licht, ohne Kunst. Das sei, sagt Felix Wesseler, der bei Filmpool das Business Development verantwortet, eine Herausforderung: den Kameraleuten ihre störende Professionalität auszutreiben, die sie dazu bringt, immer möglichst perfekte Aufnahmen drehen zu wollen. Trotzdem muss die Handtuch-Szene dreimal gedreht werden. Hinterher “checkt” das Team die Szene auf einem kleinen Monitor. Die Produktionsleute gucken halb skeptisch, halb stolz: Im Vergleich könne man deutlich sehen, sagt Filmpool-Geschäftsführer Vittorio Valente hinterher, was für Fortschritte die Laiendarsteller gemacht hätten, die jetzt schon seit einem Jahr dabei sind.

Es muss sich um sehr, sehr subtile und für den Laienzuschauer kaum erkennbare Hölzernheitsnuancen handeln.

Munter vor sich hin dilettierende Darsteller

Dem Publikum bieten die munter vor sich hin dilettierenden Darsteller eine doppelte Identifikationsmöglichkeit: mit den Rollen, die sie spielen, und den Darstellern, die zwar Stars sind, aber doch auch sichtbar ganz normale Leute. Sie sind gleichzeitig Schauspieler und authentische Personen.

Die Serienfigur und ihr Darsteller, Fiktion und Realität, sind bei “Berlin – Tag & Nacht” kaum trennbar miteinander verwoben. Dass Marcel in der Serie ein leidenschaftlicher Sprayer ist, der mehrere Wände in der WG gestaltet hat, liegt daran, dass sein Darsteller Patrick leidenschaftlicher Sprayer ist – und die Graffiti angeblich nach eigenem Geschmack machen durfte. Die Darsteller bringen Elemente aus ihrem Leben in ihre Rollen mit. Und umgekehrt wird aus der Fiktion Realität.

Falko Ochsenknecht ist ei